Mit dieser Seite habe ich ein bisschen gewartet, da man, wenn man aus der Klinik entlassen wird, noch ein wenig "wacklig" auf den Beinen steht. Da ich aber ein Mensch bin, der erwartet, dass wenn er nur im Wartezimmer das Arztes sind, es ihm schon besser geht, hatte ich diesbezüglich noch einiges zu lernen.
Als ich am 12. Februar 2010 um 13:00 Uhr die Tagesklinik verließ, gingich mit ziemlich gemischten Gefühlen nach Hause. Auf der einen Seite konnte ich die Veränderungen deutlich spüren, aber auf der anderen Seite, war da die Angst, dass alles wieder von vorne anfangen würde. Besonders wenn ich auf meine Arbeit schaute ich sehr ängstlich nach vorne.
Aber dies gehr wohl jedem so, der eine Therapie hinter sich hat. Zumindest habe ich das in meinen Gesprächen mit den anderen Patienten so erfahren. Und etwas anderes hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bedacht. Ich habe fast 30 Jahre unter em Zwang gelebt. Einiges - nein vieles - ist mir einfach in Fleisch und Blut übergegangen. Es waren einfach Gewohnheiten. Vergleichen kann man das am besten mit einem Raucher. Das Verlangen die wohl schönste Zigarette (nach dem Frühstück) zu rauchen wird noch Jahre anhalten.
Ich machte eine Wiedereingleiderung, bei meinem Arbeitgeber, den ich hier einmal in den höchsten Tönen loben möchte und mich in aller Öffentlichkeit ganz herzlich bedanken möchte. Meine Chefs haben super reagiert und mich in allem hervorragend unterstützt. Sie haben mir auch die Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes genommen, so dass ich den Rücken frei hatte. Das ist leider nicht die Regel, deshalb noch einmal vielen Dank !
Diese Wiedereingleiderung ist einfach hervorragend und jedem zu empfehlen. Die Therapeuten werden Dich darüber informieren und Dich beraten. Ich habe mit zwei Stunden am Tag begonnen und mich nach und nach gesteigert, so dass ich schon Anfang April 2010 bereit war voll zu arbeiten.
Doch der Zwang schläft nicht und wartet auf seine Stunde. Wenn sie kommt schlägt ein gnadenlos zu. So auch bei mir. Am Anfang hatte ich Angst, dass es wieder los geht. Dann habe ich mich über mich geärgert und die dritte Phase war Akzeptanz. Ich habe ganz einfach akzeptiert, dass ich ein Zwängler bin und das auch für immer bleiben werde, ABER ich habe Gegenmittel in der Tasche. Natürlich sind das die Medikamente, aber das wichtigste Gegenmittel sind die Erkenntisse und Methoden aus der Therapie.
Wer ein chronisches Rückenleiden hat, der hat auch immer ein Schmerzmittel dabei. Ein Diabethiker hat immer sein Insulin dabei und ein Zwängler hat immer seine Übungen im Kopf und die Strategien, die er in der Thearpie gelernt hat. Dabei ist die wesendliche Stratigie eigentlich ganz einfach:
Kämpfe nicht gegen das schlechte Gefühl an, sondern laß es kommen. Biete diesem Gefühl die Stirn und du wirst merken, dass es immer kürzer anhält.
Ich will nich verschweigen, dass mich mein ungeliebter Untermieter nicht hier und da "erwischt" hat. Oh nein. Auch das ich auch schon meine guten Vorsätze für ein paar Minuten vergessen habe. Ich bin ja nicht unfehlbar und ein Musterschüler, aber trotzdem habe ich meine Hausaufgaben gemacht und kam immer wieder aus der Situation heraus.
Ich weiß, Du hälst das jetzt alles für schlaue Sprüche und Du hast Recht es ist leichter gesagt als getan. Aber ich kann Dir 100%tig versichern es funktioniert.
Wie heißt es in einem Lied ? "Der Weg er wird kein leichter sein......" Doch es gibt noch mehr Lieder und eines heißt: "Das Leben ist prima !"
Als ich wieder in das "normale" Leben entlassen wurde, habe mich alle mit Glaceehandschuhen angefaßt. Nur nichts falsch machen. Nur nichts falsches sagen. Nun ich halte das für normal, doch was ich ebenfalls richtig finde, dass man offen mit den Anderen redet. Klärt sie auf, denn die meisten interessiert das wirklich. Obwohl sie es sich nicht vorstellen können, haben viele es auf jeden Fall versucht und wie ich schon auf anderen Seiten geschrieben habe, habe ich viel Annerkennung für meinen Mut ernten können.
Was hat sich denn nun alles so verändert ? Die Antwort wird Dich erstaunen, denn sie ganz einfach und schlicht. NICHTS hat sich verändert. Die Welt und ihre Bewohner rings um mich herum, sind immer noch die gleichen. Da hat sich nichts geändert. Die Arbeit und die Kunden, auch sie sind immer noch die gleichen. Denn auch die haben sich nicht geändert. Das Einzige, was sich geändert hat, bin ICH !
Doch von meinem Standpunkt und meinem Blickwinkel sieht es nur so aus, als ob sich alles andere geändert hat. Das gleiche Phänomen ist ja das sich die Erde um sich selber dreht und nicht die Himmelskörper um die Erde.
Am Anfang glaubte ich nicht in der Realität zu sein. Ein sehr komisches und merkwürdiges Gefühl, dass jetzt immer noch dann und wann auftaucht, aber nicht mehr so intensiv ist. Doch ist es auch etwas ganz Normales und, und das ist ganz wichtig, ein GUTES Gefühl. Es zeigt Dir Deinen beginnenden Heilungsprozess an.
Durch den "Unterricht" und die Übungen in der Therapie, hast Du gelernt anders zu Denken. Es gibt nicht mehr schwarz und weiß, sondern auch tausende von Grautönen dazwischen. Je länger Du mit Deinem Zwang und Deiner Depression herum gelaufen bist (bei mir waren es immerhin 25(!) Jahre), desto mehr sind diese falschen Denkmuster bei Dir eingefahren. Sie sind zur Gewohnheit geworden. Da heißt es die festgefahrene Software, oder besser gesagt, den Virus von der Festplatte bekommen. Hört sich jetzt vielleicht etwas sehr herosich an, aber genau das war (und ist) die Herausforderung an der Sache.
Nehme den Kampf auf und stelle Dich den Herausvorderungen, auch wenn es für die Normalos keine richitgen sind.
ABER VORSICHT:
Überfordere Dich nicht ! Warum ich das so gut weiß ? Nun weil ich es mal wieder gemacht habe. So nach dem Motto: Alles klar - volle Kraft voraus !
Und genau hier kommt Deine ambulante Therapie ins Spiel. Ganz wichtig ist, eine ambulante Therapie nach der Therapie zu machen. Auch nach einer Mandeloperation, muss man noch ein paar Mal zum HNO, der nachschaut ob alles richtig verheilt ist. So ähnlich ist das auch mit der ambulanten Therapeutin oder Therapeuten. (im meinem Falle ist es eine Therapeutin, deshalb bleibe ich beim "sie"). Ich besuche meine Therapeutin einmal in der Woche. Alles was in der vergangenen Woche so passiert ist, wird besprochen und es wird aufgepasst, ob sich nicht wieder die alten Muster einschleichen. Oder, was häufig der Fall sein kann, dass der eine Zwang erfolgreich behandelt wurde, sich aber ein neuer, ein Ersatzzwang einschleicht.
So konnte mir meine Therapeutin ganz klar zeigen, dass ich schon wieder der Perfekte sein will und für alles Zuständig sein wollte. "Wehe wehe, wenn ich auf das Ende sehe....." um es mit Wilhelm Busch zu sagen
Heute, sechs Monate nach meiner Entlassung, ist alles neu, obwohl sich ja nichts verändert hat. Ich habe ein neues Leben bekommen, das ich auch wieder genießen kann. Ich habe sogar wieder kleine Reisen unternommen. In der Familie kehrt wieder Harmonie ein. Es wird wieder viel gelacht. Der Job macht mir wieder einen riesen Spaß. Ich kann mich an meinem Feierabend richtig entspannen