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Im Laufe der Therapie kam die Zwangs-Info-Gruppe, zu der ich eingeladen war. Hier wurde erklärt, wie eine Verhaltentherapie ablaufen würde. Zunächst wurde die Gruppe aufgefordert über die einzelnen Zwänge zu reden. Alles freiwillig – gezwungen wurde niemand. Aber konnte mal wieder seine Klappe nicht halten ? Richtig ! Ich hätte lieber ruhig bleiben sollen, denn ich musste als Beispiel herhalten und was ich zu hören bekam, gefiel mir gar nicht. Ich zitiere wörtlich:“ Sie, Herr P., Sie müssen auf einen Friedhof gehen, Grabsteine umarmen und rufen ich sterbe ich sterbe.“ Okay – das war es. Wo ist der Ausgang ? Nur noch weg hier. Weit weit weg !

Und tschüss !

Die Übungen
 
Natürlich wusste man um meine Ängste und es wurde auch genau beobachtet wie bei mir der Vorhang fiel. Ich wurde erst einmal beruhigt und es wurde mir versichert, dass der Friedhof noch in weiter Ferne liegt. Ich wurde weiter vorbereitet und ich las auch ein sehr interessantes Buch aber das Thema. Nein ich habe es verschlungen und langsam wurde mir klar, was von mir verlangt wurde. Das Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie ist es, dass sich der Zwangskranke gerade mit den Situationen aus einandersetzt, die ihm die größte Angst bereitet. Die Gefühle und die Gedanken sollen nicht unterdrückt werden, sondern sie sollen völlig bewusst durchlebt werden. Wieder und immer wieder. Diese Gefühle und Gedanken sollen für den Zwangskranken langweilig werden. Es werden Übungspläne erstellt. Hier soll der Zwangskranke Situationen heraussuchen, die er normalerweise vermeiden würde. Dabei soll er sich die Intensität der möglichen Anspannung vorstellen und sie in einer Skala von 0 – 100 % einsortieren. Das ist gar nicht so einfach wie es sich vielleicht anhört. Denn gerade zum Anfang verschätzt man sich und man kommt nicht gleich auf das Naheliegendste, denn es geht einem immer zuerst den Super GAU durch den Kopf.
Mein erste Übung war es, sich auf einen Stuhl zusetzen, auf dem eine Patientin, die in einem Beerdgungsintitut arbeitet, auch gesessen hat. Das Problem, das sich für mich ergibt ist folgendes. Frau K kommt mit Leichen in Kontakt oder mit Leute, die mit Leichen in Kontakt kommen. Damit ist sie mit dem Tod kontaminieret. Wenn ich mich auf einen Stuhl setze, auf dem dem auch sie gesessen hat, gibt sie mir diese Kontaminierung wie eine „ansteckende Krankheit“ weiter. Ich darf dann die Hose, zum Beispiel, nicht mehr anziehen. Ich darf auch zu Hause nichts damit in Kontakt kommen. Wenn ja habe ich alle Tote bei mir und ich würde nicht mehr ich sein. Gruselig was. Aber jetzt sollte es ernst werden, meine erste Übung beginnt.

Zu jeder Übung wird auch eine Verlaufskurve erstellt. Sie zeigt den Verlauf der Anspannung in %. Dazu wird die Uhrzeit festgehalten. Parallele habe ich ein Protokoll geführt und meine Gefühle, Eindrücke und Gedanken festgehalten.

Es hat mich schon etwas Überwindung gekostet mich auf den Platz zu setzen. Es ging aber besser als ich dachte. Es gibt auch ein Gefühl, der Anspannung. Besonders im Hinblick auf heute Abend, wenn ich zu Hause bin. Nach zwanzig Minuten habe ich mich getraut mit meinen Händen die Sitzfläche zu berühren. Fühlt sich komisch an und ich muss dem Drang widerstehen mir die Hände zu waschen. Ich habe danach meine Oberschenkel, mein Gesicht und die Brille angefasst. Auch musste ich meine Sachen (Mappe, Block, Kugelschreiber etc.) anfassen. War sehr konzentriert und konnte mich auch an den Gesprächen der Anderen beteiligen. Nach 30 Minuten bin ich aufgestanden und nach unten gefahren. War abgelegt und musste mich ein wenig nachdenken. Nachdem ich wieder oben war, setzte ich mich auf einen anderen Platz, von dem ich definitiv wusste, dass Frau K. darauf saß. Es ist langsam auszuhalten.
14:50 Uhr – Ich kann es doch nicht so wegstecken, wie ich gerne wollte. Mir kommen immer wieder bedenken. Ich fühle mich müde und erschöpft. Mir kommt immer wieder das Bild von Frau K in den Kopf und die Dinge mit denen sie in ihrem Beruf zutun hat. Ich bin ziemlich durcheinander und kann mich schwer auf das „Alltägliche“ und „Normale“ konzentrieren. Habe einen „Kloß“ im Magen und einen „Gürtel“ und die Brust. Mein Nacken ist verkrampft und steif. Die Hose und die Kleidung fühlt sich falsch an und ich möchte am allerliebsten die Kleidung zu Hause wechseln.
18:35 Uhr – Jetzt bin ich zu Hause. Nach einiger Überwindung habe ich es geschafft auf „meinen Stuhl“ platz zu nehmen. Kein gutes Gefühl. Anspannung gestiegen. Bekomme es nicht fertig mich auf das Sofa u setzen. (Einen Tag später habe ich mich mit meiner Jogginghose auf den Stuhl gesetzt. Anspannung 50-60%)

Das war der Anfang. Meine erste Übung und ich war unheimlich durcheinander. Ich wusste nicht mehr was ich denken sollte und ich war von dem was ich das tat in keinster Weise überzeugt. Aber dies war ja nur der Anfang und ich sollte noch tiefer in meine Seele eindringen und viel, ja sehr viel über mich erfahren. Sechs Tage später sollte es weiter gehen. Denn bei meiner ersten Übung hatte ich einen entscheidenden Fehler gemacht. Ich hatte es vermieden die Gefühle und Gedanken, die man ja gerade vermeiden und unterdrücken will,zu zulassen. Das sollte bei dieser Übung anders werden.

13:55 Uhr - Die Übung beginnt. Ich sitze auf dem Stuhl. Gedanken kreisen: langsames schmerzhaftes Sterben, Leiden. Ich kann nicht mehr sorglos sein. Sehr angespannt.

14:00 Uhr - Ich lasse den Gedanken freien Lauf.
Friedhöfe, Grabsteine. Jedes kleine Zipperlein könnte jetzt Vorbote einer Katastrophe sein. Jedes kleine Detail des Friedhofes auf dem meine Großeltern liegen fällt mir ein.

14:10 Uhr - Flaues Gefühl im Magen, aber
Anspannung ist etwas gesunken. Das Gedankenrasen hat etwas abgenommen.

14:25 Uhr - Ich bilde mir ein abgestandenes Blumenwasser zu riechen.


17:00 Uhr - Ich bin zu Hause. Gedanken neutral. Anspannung gering. Sitze auf „meinem“ Stuhl.


18:50 Uhr - Sitze immer noch auf „meinem“ Stuhl. Anspannung gering. Aber wenn ich mich auf „mein“
Sofa setzen möchte, steigt die Anspannung. Bekommen es nicht fertig. Ende der Übung.

Ziel dieser Übung war es, die Kontaminierung vom Krankenhaus nach Hause zu tragen und es in der Wohnung zu verteilen, damit ich keine Rückzugsecken mehr habe. Überall sollte ich mit dem Gefühl und den Gedanken konfrontieren. Aber das war leichter gesagt als getan. In dieser Übung hatte ich noch nicht fertig gebracht, mich an den Ort zu setzen, an dem ich jeden Abend mehr oder weniger entspannt Fernsehen schaute.

Aber man beachte den "Ausschlag" zwischen 14:00 Uhr und 14:25 Uhr. Hier habe ich die "magischen" 70% weit überschritten. Mit den 70% hat es folgendes auf sich. Wenn die Anspannug über die 70% steigt, ist ein rationales Denken kaum, oder manchmal nicht mehr möglich. Die Gefühle und Empfindungen sind dann einfach zu stark. Jetzt heißt es diese wirklich miese Gefühl zu überstehen und sich die rationalen Gedanken abrufen, die man voher mit seinem Therapeuten erarbeitet hat.

Was mich bis heute noch immer tief beeindruckt, ist die Tatsache, dass ich wirklich den Geruch vom abgestanden Blumenwasser, welches man oft auf einem Friedhof riechen kann, wahrgenommen habe. Ich habe mich in dem Raum umgeschaut, ob da nicht irgendwo eine Vase stand. Nein da ar nichts. Ich hatte die Gefühle und Gedanken so intensiv zugelassen, dass ich tatsächlich diesen Geruch wahrgenommen habe. Das war schon spannend !

Diese Übung wurde noch ein paar Mal wiederholt und ich musste die "Konterminierung" immer weiter in meiner Wohung verteilen, bis ich keine Rückzugsbereiche mehr hatte.

Aber es stellte sich etwas (für mich) ganz verblüffendes ein. Die Bilder und Gedanken kamen ganz automatisch und es waren immer die Gleichen und das wurde.......LANGWEILIG !

Das war ein Durchbruch ! Zum ersten Mal konnte ich meinen Zwang lügen strafen ! Jetzt hatte ich etwas in der Hand !

So langsam hatte ich begriffen, was sie Therapeuten in der Tagesklinik von mir wollte, beziehungsweise was ich machen konnte. Die nächsten Übungen waren absolut keine Selbstgänger, aber ich hatte jetzt ein Mittel in der Hand, mit den üblen Gefühlen umzugehen.